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Am 2. Advent ziehen wir einen Platz im Inneren vor und freuen uns, dass Oliver Gerasch und sein Team am Wochenende durchgehend Küche anbieten, was uns am frühen Nachmittag einen späten Lunch ermöglicht.
Alle Gänge aus den beiden Menüs sind auch einzeln zu bestellen und so stellen wir uns hieraus und aus dem à la Carte-Angebot jeweils vier Gänge individuell zusammen.
Das Amuse Bouche wirkt zunächst recht unscheinbar mit einigen Scheiben gebackenen Gemüses, präsentiert sich aber mit einem würzigen Dressing, etwas Petersilienpesto und Trüffelspänen ziemlich vielschichtig und in jedem Fall gut abgestimmt.
Amuse Bouche: Gebackenes Wintergemüse
Mein Mann startet mit geräuchertem Thunfisch, der in dünnen Scheiben auf einem fein geschnittenen Fenchelsalat gebettet ist. Der Thunfisch ist sehr zart und hat eine schinkenartige Anmutung. Das ist nicht schlecht, bleibt aber insgesamt doch recht einfach konzipiert.
Geräucherter Thunfisch mit Apfel und Fenchel
Mein erster Gang ist eine veritable Überraschung. Im kleinen Menü lediglich als Wachtel mit Linsensalat angekündigt, stelle ich mich auf eine gebratene Brust oder ähnliches ein und bin dann doch verblüfft, eine schön gearbeitete Ballotine serviert zu bekommen. Das ist nicht nur allerfeinstes klassisches Küchenhandwerk, das man so eben auch nicht mehr überall bekommt, sondern schmeckt auch ganz ausgezeichnet. Zusammen mit dem gut gewürzten Linsensalat ergibt sich ein kräftiges, fast schon herzhaftes Geschmacksbild, das perfekt in die Jahreszeit passt.
Auf dieses offensichtliche Speisekarten-Understatement angesprochen, erklärt Oliver Gerasch später, dass ihm diese Beschreibung alle Optionen offen lässt und er individuell entscheiden kann, was genau er auf den Teller bringt. Über die heutige Entscheidung bin ich jedenfalls sehr glücklich.
Wachtel mit Linsensalat
Aus dem à la Carte-Angebot geht es für meinen Mann weiter. Die gebratenen Calamaretti auf dem schlotzigen Safran-Risotto sind sehr zart und würzig. Insgesamt ist dieses Gericht sehr elegant und versprüht auf gekonnte Weise mediterranes Flair.
Safranrisotto mit Calamaretti
In Abwandlung eines Gerichtes, das ich auch Anfang des Jahres schon genießen durfte, gibt es auch dieses Mal ein prachtvolles Exemplar eines Kaisergranats in Kombination mit einer deftigen Komponente. War es Anfang des Jahres Kalbskopf, ist es jetzt Osso Buco, die Aprikosengraupen sind jetzt ersetzt durch ein Dinkelrisotto. Die Gesamtkonstellation ist zwar ähnlich, aber gleichermaßen köstlich. Das ist kräftig, würzig und die intensive Jus bildet einen tollen Kontrast zum feinen Kaisergranat.
Kaisergranat mit Ossobuco, Salzzitrone und Dinkelrisotto
Auf der anderen Tischseite fällt die Wahl im Hauptgang auf Entenbrust, die mit einer super-krossen Haut und ohne erkennbare Fettschicht, dafür sehr zart gegart kommt. Mit den bissfesten Rosenkohlblättern und dem getrüffelten Kartoffelpüree ist das klassisch und gut gelungen.
Entenbrust mit Trüffelrahm, Rosenkohl und Kartoffelpüree
Für mich geht es mit Fisch weiter und zwar einem kapitalen Filet vom Steinbutt, der exzellent gebraten ist und von einem Meeresfrüchteragout in kräftiger Jus begleitet ist. Als weitere Beilage gibt es Tortellini mit einer unglaublich geschmackvollen Füllung aus Garnelen, Steinbutt und Knoblauch. Selten habe ich Pasta gehabt, bei der die Füllung derart charaktervoll war. Ein toller Gang! Bravo!
Steinbutt mit Meeresfrüchteragout, Kopfsalat und Gambatortellini
Der Walnussbrownie meines Mannes ist, wie bereits Anfang des Jahres, nach meinem Empfinden zu trocken geraten. Das gut gelungene Cassissorbet und die Crème Chantilly helfen hier nur bedingt. Etwas auffällig finde ich es schon, dass bei beiden Besuchen der Brownie für mich das schwächste Element ist. Aber vielleicht bin ich auch nur etwas empfindlich, was die Optimalvorstellung an dieses Gebäck angeht.
Walnussbrownie mit Crème Chantilly und Cassissorbet
Da mein Sättigungsgrad bereits gut erreicht ist, entscheide ich mich nur noch für Sorbets mit Früchten. Das ist zu diesem Zeitpunkt die richtige Wahl und für mich gerade noch passend. Mango und Birne sind außerdem gut getroffen.
Sorbet mit Früchten
Ganz abgeschlossen ist unser Essen damit aber noch nicht. Mit dem Hinweis „Keksschulden sind Ehrenschulden“ serviert uns Oliver Gerasch noch einen üppigen Teller schönster Weihnachtsplätzchen. Außenstehende würden das jetzt ohne Erklärung nicht verstehen, wir hingegen können uns ein Grinsen an dieser Stelle nicht verkneifen.
Zu den jährlichen Fixterminen im heimischen Küchenkalender gehört bei uns seit vielen Jahren ein Wochenende, das komplett der Weihnachtsplätzchenbäckerei gewidmet ist. Das Ergebnis dieser Arbeit, an deren Ende diesmal 13 verschiedene Sorten standen, ist dann auch auf Facebook zu sehen. Den Post hierzu kommentierte Oliver Gerasch mit dem verführerischen Angebot, gegen Gänsebraten zu tauschen. Das hätte zwar in keinem vernünftigen Verhältnis gestanden, aber ich fand es so sympathisch und habe zudem Spaß an derlei Spontanem, dass wir uns zu einem kurzfristigen Ausflug nach Gehrden entschieden, um eine Tüte des Selbstgebackenen auch einfach so vorbei zu bringen. Die Überraschung ist offenbar gelungen und ein Beleg dafür, dass Social Media auch den Weg in die Realität finden kann.
Jedenfalls ist der Teller, der nun vor uns steht, Geraschs ebenso gelungene Revanche.
Weihnachtsplätzchen
Aber unabhängig von dieser süßen Dreingabe bleibt festzuhalten, dass sich Geraschs Küche stetig weiter zu entwickeln scheint. Konzeptionell bewegt sich das Programm weiterhin zwischen Regionalem, Mediterranem und kreativeren Feinschmecker-Ausflügen. Allerdings wirkten viele Gänge auf mich noch eine Spur feiner abgestimmt. Und mit der Wachtel, dem Kaisergranat, dem Safran-Risotto und dem Steinbutt hatten wir Gerichte, die weit über dem Niveau üblicher bürgerlicher Gasthäuser liegen. Die Desserts könnten noch etwas mehr Finesse vertragen, aber ansonsten darf die Entwicklung gerne so weiter gehen.